DSC_0903

Vierundzwanzigstes Türchen: Ein Weihnachtsgruß von Jon Snow

Das 24. Türchen. Schon wieder ist es soweit. Schon wieder ist ein Jahr vorbei.

Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen und ich hatte auch damals eine Geschichte für den GAG-Adventskalender geschrieben. Vor einem Jahr war ich noch Chefredakteurin und hatte Leute unter mir, die ich herumkommandieren konnte. Jetzt, nach dem Abitur, bin ich leider nicht mal von mir selbst der Chef und es gibt ganz viele andere Leute die mich herumkommandieren. Alles hat sich verändert. Umso erfreuter war ich, als ich gefragt wurde, ob ich nicht auch dieses Jahr wieder was für das 24. Türchen schreiben möchte. (Ob das eine gute Idee der jetzigen Chefredaktion war, kann ich nicht beurteilen, muss ich nack… müsst ihr schon selber machen.) Konstanten sind gut. Und Konstanz gibt es in einer sich stetig verändernden Welt sowieso nur noch sporadisch – umso schöner, dass man sich auf die GAG-Schülerzeitung verlassen kann! Aber darauf wollte ich eigentlich gar nicht hinaus. Sondern: Aber ich kenne was, das seit einigen Jahren so eine Konstanz aufweist, dass man sich die Veränderung eigentlich sehnlichst herbeisehnen würde – es gibt verda**t nochmal keine weißen Weihnachten mehr. Und das finde ich total doof! Und weil ich das Gefühl habe, dass ich nicht die einzige Person bin die so denkt, wollte ich Euch mit diesem kleinen Text etwas Weihnachtsstimmung an das „Heilig-Abend-Grillen-auf-dem-Balkon“ bringen. Wenn Ihr also genüsslich euren Frucht-Cocktail schlürft und statt Weihnachtslieder, die neusten Ballermannsongs grölt und Euch doch, tief in Eurem Herzen, nach ein bisschen Weihnachten sehnt, hoffe ich, dass ich etwas Abhilfe schaffen kann.

Wenn meinem Text das allerdings nicht gelingen sollte – nun, dann einfach mal drei Tage in die Eistonne legen und sehen was passiert. Ich wünsche Euch ein frohes Fest und viele Geschenke. Danke.

PS: Und für alle die meinen Text nicht weiter als über die ersten drei Zeilen lesen können, weil sie ihn schrecklich finden – nun, hier ist ein kurzes Gedicht:

Lebensweisheit. (Katharina Borlinghaus)

Geschenke sind zum Behalten da,

niemals zum Verteilen.

Kratzspuren vom Bruder?

Die werden auch verheilen.

 

Weniger brutal:

Geschenke sind zum Behalten da,

niemals zum Verteilen.

Wer einsteckt muss in diesem Fall,

niemals auch austeilen.

 

Farbenspiel.

Katharina Borlinghaus

Der Schnee fiel. Unbeholfen, wild, durcheinander und doch zart. Er legte sich auf den grauen Asphalt und schmiegte sich um Hausdächer, Autos und Fahrradsättel. Der weiße Flaum strich sanft über die Äste der Büsche. Legte sich sinnlich auf die kahlen Äste der großen Bäume und liebkoste die Gerippe der im Winterschlaf ohnmächtigen Rosensträucher. Der Schnee umfasste ihre Köpfe, deckte sie zu, hielt sie warm. Getragen vom leichten kalten Wind spürte er das leichte, unbekümmerte Gefühl der Freiheit. Er drehte sich, er tanzte. Im weichen Glockenklang fiel er zu Unzähligen auf die Erde. Geführt vom Wind, gestreichelt vom Hauch der Weihnacht, aalte er sich unter der Erdanziehungskraft. Heimatlos und doch nicht weniger gefunden und beisammen. Der Schnee fiel. Drängend, stürzend, suchend und doch sanft. Er ließ sich fallen. Auf die Mülltonnen, die am Straßenrand abgelegten gelben Säcke, den Dreck des Jahres und den Schmutz der Welt. Auf die leuchtenden Ampeln, die blinkenden Schilder, er fiel herab auf die einsamen wankenden Seelen der hereinbrechenden Nacht. In seinem Chaos beruhigte er die Seele der Stadt und deckte sie zum Schlafen zu. Vollumfänglich spielte er mit ihren Träumen, hielt sie fest und ließ ihren Horizont zum gefrorenen Kamin werden. Der Schnee prasselte auf ihrem Körper. Prasselte auf den Dächern der Häuser, der bunt erleuchteten Geschäfte und der in Einsamkeit erdrückten, zerfallenen Ruinen einer längst vergessenen Zeit. Der weiße Hauch gefror die Sorgen, die Probleme und entflammte die Herzen der Kinder. Die Schneeflocken wirkte angenehm betäubend. Sie betäubten die Geräusche der Nacht und betäubten die dunklen Seiten. Ließen die Stille erwachen und entzündeten das Licht der melancholisch torkelnden Weihnachtssinnlichkeit. Der Schnee fiel. Kalt, schmerzhaft, farblos und doch heilend. Er legte sich auf die kahlen Felder des Landes und kleidete die Nacktheit des Waldes. Er war ein Fremder und vertraut. Er war ein nächtlicher Geschichtenerzähler. Er erzählte Geschichten aus einer anderen Welt, einer anderen Zeit. Hauchte seine Erzählungen in den leeren, schlafenden Wald und ließ sie hinaus in die Nacht tragen. Der Schnee schmiegte, liebte, küsste und wandelte. Er suchte und fand. Er schmiegte im Fallen, liebte im Bleiben, küsse beim Gehen und wandelte beim Schmelzen. Die kalte Nässe trocknete den Schmerz des Jahres, ließ Tränen gefrieren und brachte rosige Wangen zurück. Der Schnee war Formwandler, Alleskönner. Der Schnee fiel. Ungeordnet, unbeugsam, störrisch und doch weich. Er fiel in die Hände der brennenden Kinder, auf die Schlitten der stürmischen Pferde und auf die Mützen der erwachenden Erwachsenen. Er wurde Schneemann, Schneeengel oder ein Haufen an einer Straßenecke. Er wurde bekämpft und beworfen und wieder geliebt und verehrt. Er war weiß, wurde grau, wurde schwarz. War weich, wurde grob, wurde steinig. Er hüllte und verschwand spurlos. Deckte zu und ließ erwachen. Der Schnee fiel. Liebkoste und streichelte. Die Schneeflocken umschmiegten und klebten. Verwandelten und bauten. Er war das süße Gift der kalten Nacht, ein schnell verdienter Rausch. Er verbrannte unter der warmen Berührung und erstickte am Tod der Phantasie. Er verführte die Stadt, die Menschen und die Bäume mit der leichten Begierde nach der Hemmungslosigkeit des Weihnachtsschimmers. Der Schnee fiel. Wüst, kurzatmig, beschützend und doch nur gehaucht. Er legte sich auf die Pflastersteine und schmiegte sich um Pfosten, Bordsteinkanten und Schranken. Der weiße Flaum strich sanft, schmolz am Tag und brachte unter sich, die längst in glücklicher Vergessenheit geratene Realität zurück. Die Stadt öffnete betrunken die Augen und betrachtete voller Schrecken das Schauspiel. In ihren Träumen nur, war sie zuhause gewesen. Jetzt am Morgen war sie fremd. Ein kalter Wind traf sie. Er erzählte eine Geschichte aus einer anderen Welt, einer anderen Zeit. Die Stadt erinnerte sich, diese Melodie hatte sich eingebrannt. Eingraviert in ihr Herz, war eins mit ihren Adern und ihrem Körper geworden. Wohlig schmatzend erinnerte sie sich an die in Gedanken nur schleierhaft zurückgebliebene Nacht. Wohlig schmatzend regte sie sich, erhob sich aus der Betrunkenheit der Nacht. Wohlig schmatzend sehnte sie die nächste Abenddämmerung herbei. Die Stadt fiel. Sie wusste sie würde gebettet, gefangen und gehalten werden.

Fröhliches Weihnachten!

Kategorien: Adventskalender 2015

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>