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Droht ein neuer Kalter Krieg? – Experten im Gespräch #SoWiForum

Am vergangenen Montag (02.03.2015) war es wieder so weit: Die Fachschaft Sozialwissenschaften lud die Schülerinnen und Schüler (verpflichtend) zu einer Neuauflage des SoWi-Forums ein. In der Aula fanden sich vier Experten ein, welche mit dem Publikum über die Frage diskutierten, ob durch die Spannungen in der Ostukraine zwischen Russland, den Ukrainern und Europa ein neuer Kalter Krieg drohen würde. Eingeladen waren Jakob Mischke (Ukraineforscher und Politologe am Slavisch-Baltischen Seminar der Universität Münster), Dr. Markus Pieper (Mitglied des Europäischen Parlamentes, CDU), Natalia Tarturo (für den Arbeitskreis Ukraine, Münster) und Gudrun Wolff (für die Gesellschaft zur Förderung der deutsch-russischen Beziehungen im Münsterland).

 

Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte Herr Schafstedde die Referenten und die Zuhörer. Er verwies auf die Wichtigkeit eines Austausches und der Beschäftigung mit weltpolitischen Themen. Danach gab er das Wort an Frau Schleef, welche in dieser Diskussion als Moderatorin und Diskussionsleiterin fungierte. Nach einem Anfangsstatement der Referenten wurde schnell klar, dass sie alle auf einer Wellenlänge waren. Sie unterstützten das Bestreben, dem Konflikt und den Spannungen mit diplomatischen Lösungsansätzen beizukommen. Dabei stellten sie unter anderem die Wichtigkeit einer Europäischen Union als friedensstiftendes Kollektiv heraus. Etwas Kritik übte nur Herr Jakob Mischke an der Durchführung der Sanktionen (eben genannten diplomatischen Lösungen) gegen Russland. Seiner Meinung nach würden Sanktionen nur dann am stärksten wirken, wenn man sie schnell und ohne viel Gerede durchführt. Diese Punkte sah er bei der europäischen Durchführung nicht gegeben. Natalia Tarturo, sie lebt seit sieben Jahren in Deutschland und hat sowohl russische als auch ukrainische Wurzeln, beeindruckte die Schüler mit persönlichen Erfahrungen und Geschichten über den Konflikt. Besonders sie versuchte in ihren Ausführungen auch die Wichtigkeit von humanitären Hilfen hervorzuheben. Der Westen solle den Menschen und Flüchtlingen helfen, die von ihrem Zuhause und ihren Familien getrennt wurden. So kann man abschließend sagen, dass alle Referenten darum bemüht waren, zum einen Europa als wichtig für die Ukraine auszuschreiben und gleichzeitig auch die diplomatischen Lösungsansätze hervorzuheben, da sie ihrer Meinung nach am effektivsten und am besten für die Menschenleben wären.

 

Als kleinen Zusatz für diejenigen unter euch, die gerne mehr von der Arbeit als Europaabgeordneter erfahren möchten: Einfach hier weiterlesen. Dies ist ein Interview mit Dr. Markus Pieper, welches wir von der Schülerzeitung vorab aufgezeichnet haben.

 

Schülerzeitung (SZ)

Dr. Markus Pieper (Dr. P.)

 

SZ: Hallo! Guten Morgen! Würden Sie sich bitte einmal vorstellen? Wer sind Sie und was ist Ihre Aufgabe?

Dr. P.: Markus Pieper. Ich bin für das Münsterland Abgeordneter im Europäischen Parlament, d.h. ein riesen Wahlkreis. Die Stadt Münster, der Kreis Coesfeld, der Kreis Warendorf, der Kreis Steinfurt und der Kreis Borken. Das sind 1,5 Mio. Menschen und da gibt’s nur einen Abgeordneten. […] Ich versuche ab und zu dann auch mal in den Schulen präsent zu sein. Ich mache im europäischen Parlament hauptsächlich Verkehrspolitik, bin im Verkehrsausschuss, […]. Dann bin ich im Industrieausschuss, Energiepolitik ist ein Schwerpunkt und ich bin im Ausschuss für Haushaltskontrolle, also wo geht die europäische Knete hin. Wird das auch nach Gesetz und Recht verwandt? Ukraine, da bin ich als Politiker natürlich immer betroffen, bin aber nicht im Auswärtigen Ausschuss, der jetzt minutengenau zum Sachstand berichten kann, aber natürlich hat man als Politiker da generell Verantwortung.

SZ: Wie sind Sie eigentlich zur Politik gekommen? Wussten Sie das früher schon? Was reizt Sie daran besonders?

Dr. P.: Ich bin eigentlich gar kein richtiger Politiker. Ich bin Quereinsteiger in die Politik. Ich bin erst mit 33, 34 in die CDU eingetreten. Ich bin eingetreten, weil im Kindergarten meiner ältesten Tochter kein christliches Weihnachten gefeiert wurde. […] Dann bin ich Vorsitzender in der CDU Lotte geworden und ins europäische Parlament bin ich eigentlich deshalb gekommen, weil ich in meinem Job als Geschäftsführer der Industrie und Handelskammer in Osnabrück viel mit internationalem Umweltrecht zu tun hatte. […] Und jetzt bin ich seit mehr als zehn Jahren im Europäischen Parlament.

SZ: Dann vielleicht erstmal grob: Wie ist das so, im europäischen Parlament zu arbeiten? Ist das eine große Verantwortung, die auf Ihnen lastet, oder eben ein großer Druck, dem Sie ausgesetzt sind?

Dr. P.: Wie ist das so? Das ist jetzt eine Frage, auf die kann ich alles und nichts drauf sagen. [lacht] Ist natürlich für jemanden, der im Kreis Steinfurt wohnt, in Lotte, schon ziemlich aufwändig, immer nach Brüssel und nach Straßburg fahren zu müssen. Gleichzeitig hier diesen großen Wahlkreis zu betreuen. Auf der anderen Seite ist die Arbeit im europäischen Parlament total spannend, weil man für bestimmte Themen direkte politische Verantwortung hat. Sie haben also nicht wie im Bundestag diese unbedingte Fraktionsdisziplin, dass die Regierung irgendwas vorgibt und die Partei muss dann folgen. Das ist im Europaparlament alles ein bisschen freier. […] Egal welche Themen da sind, und wir machen ja viele Gesetze in Europa, haben Sie als einzelner Abgeordneter im Parlament durchaus Möglichkeiten, da was zu machen.

SZ: Und wie geht man mit dem Druck um? Fühlt man große Verantwortung? Hat man so das Gefühl: ICH entscheide jetzt was für und über Europa?

Dr. P.: Das ist genau so, als wenn Sie im Rathaus in Greven sitzen. Ich meine, da haben Sie ja auch Druck und werden von den Bürgern gefragt: „Was machen Sie hier eigentlich?“. Es ist nur eine andere Ebene. Der Druck oder der Aufwand oder die Spannung ist auf allen Ebenen gleich – empfinde ich jedenfalls so. Ich war auch fünf Jahre in der Kommunalpolitik, als Vorsitzender der CDU Lotte. […]

SZ: Welche Interessen vertreten Sie im europäischen Parlament und welche Ziele sind für Sie vorrangig?

Dr. P.: Zunächst einmal das gesamteuropäische Interesse, dass Europa in der Welt eine starke Rolle spielt. Das kann man in verschiedenen Bereichen durchaus gestalten. […] Das ist so meine Hauptmotivation. Die zweite Ebene ist dann die regionale oder auch die deutsche Ebene: Dass man versucht, die nationalen Interessen und die regionalen Interessen auch im Blick zu haben.

SZ: Abschließend, um auch auf das heutige SOWI-Forum-Thema zu kommen: Was ist Ihre Meinung zu dieser Krise und welche Lösungsansätze haben Sie? Wofür setzten Sie sich ein?

Dr. P.: Zuallererst, dass es zu einer diplomatischen Lösung kommt, dass wir diese Züge, die da zur Zeit aufeinander zu fahren, doch durch Diplomatie abbremsen können. Was allerdings nicht einfach ist. Jede Seite hat ihre Argumente, warum der andere Schuld ist. Ich bin dennoch der Meinung der westlichen Politiker, dass Herr Putin in vielerlei Hinsicht überzogen hat. Was mir Sorgen macht, ist diese subtile Art. […] Dass er nicht zugibt, dass er dort eigene Interessen vertritt. Und wenn ich mal im europäischen Parlament die Stimmung erfahre, dann ist die glaube ich viel dramatischer als in Deutschland. Die baltischen Abgeordneten haben die nackte Angst, ich war in Riga, ich habe mal gesehen, wie stark die russische Einflussnahme dort schon ist, und auch, wenn sie mit polnischen Abgeordneten reden, dann ist das ein ganz anderes Gefühl gegenüber Russland als wir da hier vielleicht spüren. Auf der anderen Seite stehe ich natürlich auch stückweit Motivation. Das Sowjetreich ist zerfallen, Europa ist immer stärker geworden. Wir haben uns mit der Osterweiterung nah an Russland ran gewagt und da ist ein Spannungsfeld entstanden, was man jetzt durch viel, viel Fingerspitzengefühl und Diplomatie versuchen muss aufzulösen. Die Patentlösung habe ich natürlich auch nicht. Dennoch hoffe ich, dass es über wirtschaftlichen Druck gelingt, Russland in die Schranken zu weisen und dass wir eine Verhandlungsebene erreichen, wo wir dauerhaft ein e Friedenslösung dann gestalten können. Vermutlich in die Richtung, dass es bestimmte Gebiete geben wird, die in russischer Hand bleiben. Ich fürchte das, aber es ist besser, so dauerhaften Frieden zu kriegen, als wenn wir auf beiden Seiten aufrüsten und dann kommt es zum großen Kampf. Als allerletzte Option natürlich muss man sich das militärische Eingreifen offen halten, sonst würde einen gerade die russische Seite ja auch nicht ernst nehmen. Man kann natürlich auch Frieden haben, indem man Putin nachgibt, nur was ist dann der nächste Schritt? Und das ist die große Gefahr, die ich sehe, weil wir nicht kalkulieren können, wie weit gehen die Russen.

SZ: Wir bedanken uns für das Gespräch.

Dr. P.: Sehr gerne!

Kategorien: Schule