Die drei Hiobsbotschaften für Lehrer
Zugegeben, es gibt Tage, an denen man Lehrern und Referendaren die Pest oder Schlimmeres an den Hals wünscht. Ob nun nach miesen Klausuren oder Hausaufgaben über die Pfingstferien, ob nach unfairen Tests oder zu schlechten mündlichen Noten; mitunter reißt man sich erst im allerletzten Moment zusammen, hält den Mund und denkt sich den Rest. Das war vermutlich schon immer so, und das wird wohl auch noch in 1000 Jahren so sein. Vielleicht liegt es an besonders vielen dieser Gebete im Jahre 2013, vielleicht an weit profaneren Dingen, auf jeden Fall waren die letzten Monate alles andere als erfreulich für die Lehrkörper in Nordrhein-Westfalen. Eine kleine Aufzählung:
1. Vielen Referendaren droht dieses Jahr statt des erhofften und erträumten Berufes direkt Hartz IV. Das Schulministerium in Düsseldorf rechnet nämlich, dass an einem Gymnasium auf einen Lehrer in der Sekundarstufe I 19,88 und in der Sekundarstufe II 13,41 Schüler kommen sollten. Wie genau diese Zahlen zusammenkommen und warum die Notwendigkeit einer ungeraden Zahl bei den Schülern besteht ist vermutlich eines der auf ewig ungelösten Geheimnisse unserer Demo- und Bürokratie, fest steht nur: es steht so im Schulgesetz. Der doppelte Abiturjahrgang bedeutet also, dass jede Menge potentieller Stellen für fertige Referendare wegbrechen. Zusätzlich dazu befinden sich auch diese aufgrund einer Verkürzung ihrer Ausbildung in einem Doppeljahrgang; sowohl im Februar als auch im Mai strömen viele fast-Lehrer nun also zu Schulen, die kaum noch neue Lehrer brauchen. Wer nicht gerade eines jener Fächer lehrt, die derzeit als Mangelware gelten, beispielsweise Mathe und Physik, dem droht eine ungewisse Zukunft. Referendare sind noch sogenannte „Beamte auf Wiederruf“: Im Gegensatz zu „richtigen“ Beamten sind sie noch nicht vor einer Kündigung geschützt, zahlen aber ebenso wenig in ihre Arbeitslosenversicherung ein. Kurz: diese beinahe fertigen Lehrer mit noch so guten Zeugnissen und langer Ausbildung zwischen pubertierenden Pickelgesichtern und trendigen Teenagern stehen am Ende nur mit Hartz IV da – wenn sie überhaupt die Bedingungen dafür erfüllen, also beispielsweise keinen verdienenden Ehepartner haben. Das Schulministerium erklärte dazu, die Referendare hätten den Abiturjahrgang mit einrechnen müssen in ihre Zukunftsplanung, die Opposition nutzt ihre Chance auf einen Rundumschlag gegen die Landesregierung – und irgendwo inmitten dieser für sie unnützen politischen Schlammschlacht stehen die, die jetzt nicht einmal auf eine Stelle als Vertretungslehrer hoffen können. Siehe nächstes Problem.
2. 230 Milliarden Euro. Eine Zahl mit einer kaum mehr nachzählbarer Anzahl von Nullen – und die Schulden des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Zum Vergleich: dem Staat Griechenland fehlen (zugegeben nach anderen, bereits erlassenen Schulden) 240 Milliarden. Nun mögen wohl Ökonomiewissenschaftler aufgeregt Einspruch erheben, werden argumentieren, dass allein das Bruttoinlandsprodukts NRWs größer sei als das des Krisenstaates, das hier im bevölkerungsreichsten Land weit mehr Menschen leben – fest steht auf jeden Fall: ein gigantischer Berg fehlendes Geld, in beiden Fällen. Auf Städteebende sieht das Bild ähnlich düster aus: allein die Stadt Greven hat Kredite in Höhe von etwa 115.598.000 Euro, jeder Einwohner ist also rein rechnerisch mit mehr als 3200 Euro verschuldet – mehr als die meisten der Schüler in ihrem Leben als Taschengeld bekommen. Wieder ein Extrembeispiel, und dennoch lautet die Devise: Sparen, Sparen und nochmals Sparen, nicht nur in Griechenland, sondern auch hier in NRW. Stellt sich die Frage nach dem erstbesten Ziel irgendwo bei den teuren Beschäftigten des Landes. Blöd nur, dass man die festen Beamten nicht so leicht entlassen kann – natürlich, die Vertretungslehrer! Häufig Pensionäre, häufig Studenten, allesamt ohne Kündigungsschutz, aufgrund ihrer doch eher geringen Anzahl kein allzu negatives Echo Betroffener in den Medien und vor den Wahlen – das ideale Ziel. So denkt das Ministerium: 50 Millionen vorher, jetzt sollen es nur noch 25 Millionen sein – 50% gespart. 50% – macht sich doch gut auf Wahlplakaten! Das bedeutet in der Praxis: die Lehrer müssen noch mehr arbeiten (für das gleiche Geld versteht sich, siehe Punkt 3) und häufiger Vertretungen übernehmen, die Referendare können selbst die Hoffnung auf einen Einstieg in ihren Beruf als Vertretungslehrer vergessen, und die Schüler, denen steht möglicherweise in Zukunft mehr Ausfall bevor, als ihnen lieb ist. Was einiges heißen mag. Die Gewerkschaft der Lehrer spricht von 500 Stellen, die wegfallen könnten – war das wohl die optimale Option zum Sparen? Und so entbrennt, wenn wundert es, noch eine politische Schlammschlacht.
3. Angesichts der vorherigen Punkte stellt dieser wohl das geringere Übel da, ärgerlich für viele Gymnasiallehrer ist er trotzdem. Im Gegensatz zu vielen anderen Beamten (deren Bezahlung bzw. „Besoldungsstufe“ geringer ist als die der gymnasialen Lehrkörper) erhalten sie keine oder nur eine geringere Gehaltserhöhung, angesichts immer weiter steigender Preise und Kosten (Fachwort: Inflation) verringert sich also sogar das, was sie auch wirklich ausgeben können (noch ein Fachwort: Nettolohn 😉 ). Es klingt vielleicht gut, in Zeiten von Finanzkrise und Schulden den schlechter verdienenden Beamten den Vortritt bei dem Geld zu lassen; viele Lehrer sind allerdings trotzdem verärgert, auch weil die Nullrunde nicht einmal pauschal für alle Lehrer gleichermaßen gilt. Sie fühlen sich unfair behandelt, viele fühlen sich um ihre Stimme bei der Wahl betrogen. Es ist wohl nicht so schwer zu erraten, wenn das wohl auf den Plan und die politische Bühne ruft… So bleibt an alle die Politiker in Düsseldorf nur noch ein Zitat aus der Bibel zu richten: Der, der von euch ohne Schuld ist werfe den ersten Stein. Oder eher den ersten großen Brocken politischen Matsches. Und wenn die Schlacht dann doch eröffnet ist: versucht wenigsten, nicht die Lehrer zu treffen. Denn angesichts dieser Probleme muss man selbst als gekränkter Schüler mit noch so schlechten oder gar unfairen Noten sagen: arme Lehrkräfte.
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